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MVG-Mitglied Nadine Otten schreibt über ihren USA-Aufenthalt

Erstellt von Martin Brauner (NEWS-Redaktion) |

Ganz nebenbei wird sie zur "Oboistin" ausgebildet

Die NEWS-Redaktion hatte in den vergangenen Tagen mehrfach Kontakt mit der Flötistin Nadine Otten, die sich seit August 2008 in den USA aufhält. Hier nun der interessante Bericht der Vereinskollegin:

 

Nadine Otten schreibt:

Am 6. August 2008 habe ich endlich meinen Traum verwirklicht und bin von Bremen aus über München in die USA geflogen. Nachdem ich in Chicago nochmals einen anderen Flug nehmen musste, bin ich nach zusammengerechneten 12 Stunden Flug auf dem Flughafen Minneapolis/Saint Paul im Bundesstaat Minnesota gelandet.
Minnesota ist ungefaehr so gross wie Deutschland, hat aber allerdings weniger als 6 Millionen Einwohner. Der Staat liegt ganz im Norden der USA, grenzt also an Kanada und ist relativ mittig gelegen. Hier liegt die sogenannte "Central Time" vor, das macht 7 Stunden, die man in Deutschland immer schon weiter ist als hier. Wenn es zB. in Deutschland 19 Uhr ist, ist es hier 12 Uhr.

Die Hauptstadt, St. Paul, ist nicht wirklich gross (280.000 Einwohner) und nach Minneapolis (370.000 Einwohner) die zweitgroesste Stadt im Staat. Ich wohne hier ungefaehr 1.5 Stunden von der Stadt entfernt. Alle anderen Staedte haben noch nicht einmal annaehernd die gleiche Groesse. Die naechstgroessere Stadt von hier waere Mankato, die allerdings viel kleiner ist.

Minnesota wird hier auch als das "Land der 10.000 Seen" bezeichnet. Darauf hatte ich mich ganz besonders gefreut, als mir mitgeteilt wurde, dass ich in diesen Staat komme. Ich habe aber erst als ich dann hierher gekommen bin, herausgefunden, dass Minnesota sozusagen 2 Seiten hat. Der Norden ist so, wie man sich Kanada vorstellt... alles Wald mit Millionen von Tannen, Baeren und Elchen die durch die Gegend streifen. Selbst alle Seen befinden sich im Norden.
Ich wohne im Süden Minnesotas. Hier gibt es gelegentlich Seen, aber zum groessten Teil ist hier alles Landwirtschaft, besonders Mais und Sojabohnen werden hier angebaut.
Ich wohne in einer "Stadt" (wir wuerden es in Garrel eher als kleines Dorf bezeichnen), die Gibbon heisst und 800 Einwohner hat. Allerdings wohne ich "auf dem Land" in einem Haus, dass 5 Meilen (7.5 km) von Gibbon entfernt liegt.
Ich kann nur sagen, ich dachte immer, dass Garrel klein ist, Gibbon ist noch viel kleiner und mir kommen mitlerweile Staedte, die 3000 Einwohner haben, als eine Metropole vor.
Wenn ich aus meinem Zimmerfenster blicke, kann ich eigentlich nur Maisfelder im Umkreis von 7 Kilometern sehen und alle 2 km vielleicht mal ein Haus.

Mein Tagesablauf hier ist von Montag bis Freitag jeden Tag derselbe.
Ich stehe um zwischen halb 7 und 7 auf, dann hat man hier normalerweise nicht wirklich Fruehstueck, und wenn, dann gibt es meistens nur Muffins, Pfannekuchen oder etwas anderes Ungesundes.
Um 7.45 Uhr fahren wir zur Schule. Die Schule hier faengt um 8.15 Uhr an und endet um 15 Uhr. Nachdem wir kurz in unseren "homeroom" gehen, damit die Lehrer uns als anwesend eintragen koennen, faengt unser reguläre Unterricht an. Wir haben 7 Stunden, jede Stunde dauert 48 Minuten, mittags haben wir von 12-12.30 Uhr eine Mittagspause (in der es meistens Fast Food zu Essen gibt) und zwischen den Stunden haben wir sonst nur 4 Minuten um zum naechsten Klassenraum zu gehen. Die Lehrer haben hier ihren eigenen Raum, deswegen muessen wir uns manchmal echt beeilen um noch rechtzeitig in Klassenraeumen anzukommen, die auf der anderen Seite der Schule liegen, ansonsten bekommen wir Nachsitzen.
Wir waehlen unsere eigenen Kurse, es gibt eigentlich nur wenige Vorschriften was man zu waehlen hat um hier abzuschliessen. Ich habe Band, Geschichte, Englisch, Spanisch, Mathe, Wirtschaft/Verfügung und Biologie.

Jeden Tag um 8.30 steht Band (Blasorchester) bei mir auf dem Stundenplan. Band ist meine absolute Lieblingsklasse. Wir spielen hier Stücke, die ein wenig leichter sind als die Stücke, die wir im Musikverein spielen, leider nehmen viele Schüler Band nicht wirklich ernst hier. Ich habe mich schon bevor ich geflogen bin, darauf gefreut, hier endlich die Möglichkeit zu haben, Oboe zu lernen. Die Bandlehrer müssen dazu in der Lage sein, alle Blasinstrumente spielen zu können, deswegen konnte mir meine Bandlehrerin letztendlich Oboenunterricht geben und hat sich unheimlich gefreut, nach 15 Jahren endlich wieder einen Schüler in der Band zu haben, der ein Instrument mit Doppelrohrblatt spielen möchte. Vom 2. September (Schulbeginn) bis Ende Oktober habe ich Querflöte in der Band gespielt, da ich nach erst einmal Zeit gebraucht habe, mein neues Instrument erst einmal ein wenig zu lernen... und meine "Mundmuskeln" mussten sich erst einmal daran gewöhnen auf einmal das Instrument im Mund zu haben und die gesamte Luft durch eine kleine Öffnung zu bekommen. Gleich in der 1. Woche die ich hier war habe ich mit meinem Unterricht noch vor Schulanfang begonnen und war die folgenden 3 verbleibenden Wochen bis Schulbeginn fleißig am Üben (dabei habe ich mich wirklich in meiner Geduld geübt, da es erstmal Tage dauert, einen Ton aus der Oboe zu bekommen und dann hörte sich alles, was ich gespielt habe wie eine "sterbende Ente" an). Während der Zeit hatte ich permanent "Mundmuskelkater", wenn man es so nennen kann, was allerdings nach einiger Zeit auch besser wurde. Ende Oktober hat meine Bandlehrerin mir dann endlich mitgeteilt, dass ich nun Oboe in der Band spielen darf, worüber ich mich unheimlich gefreut habe. Die Griffe sind ein Mix aus Querflöte und Klarinette.. die Löcher von der Flöte, die Klappen von der Klarinette, glaube ich zumindest O:) Nun spiele ich jeden Tag Oboe und übe fleißig, in jeder freien Minute die ich finden kann. Manchmal fühlt man sich nur ein wenig verlassen in der Band als die kleine, einzige Oboe zwischen 7 Klarinetten und 9 Flöten, aber daran habe ich mich mitlerweile gewöhnt. Am Wochenende übe ich nach wie vor Flöte, ich habe den kompletten Notensatz vom Hauptorchester mit hierher genommen, sodass ich hoffentlich problemlos wieder einsteigen kann, wenn ich wiederkomme.

Seit Dezember sind wir in der Übungsphase für Disney Musik. Die Schulband fliegt am Sonntag, den 29. März für eine Woche nach Florida um dort an verschiedenen Workshops teilzunehmen um dann am Dienstagabend auf einer Bühne in Disneyworld in Orlando zu performen. Darauf freue ich mich schon unheimlich. :)

Neben Musik bzw. Band,Oboe, Querflöte oder Klavier (das ich für das Schultheater gespielt habe), einem meiner 2 Lieblingshobbys, gibt es dann auch noch Sport. Jeder, der mich ein wenig besser kennt, weiß, dass sich mein Leben in Deutschland so ziemlich um Musik und Sport dreht. Hier habe ich die Möglichkeit gefunden, meinen Hobbies nachzugehen, auch wenn es nicht ganz genau meinem Leben in Deutschland entspricht. Sport ist, wie Musik, in Schulaktivitäten. Während wir Band oder Chor allerdings als Schulfach wählen können, findet Sport direkt nach Schulschluss statt. Die Schüler sind in verschiedenen Sportarten aktiv und gehen meistens von einer Saison zur nächsten. Die erste Saison ist die Herbstsaison, in der man zwischen Volleyball (für Mädchen), Football (für Jungen) und Cross Country ( für Jungen und Mädchen) wählen kann, im Winter gibt es Tanzen (für Mädchen) und Basketball (für Jungen und Mädchen), und im Frühjahr Softball (für Mädchen), Baseball (für Jungs) und Track (Leichtathletik für Jungs und Mädchen). Ich habe mich letztendlich für Volleyball im Herbst entschieden, Tanzen im Winter und jetzt laufe ich wieder in Leichtathletikteam, was ich unheimlich geniesse, auch wenn gewisse Dinge anders gemacht werden, als ich sie vom BV Garrel, wo ich ja auch im Leichtathletik bin und plane wieder einzusteigen, wenn ich wiederkomme. Es ist auf jeden Fall toll, endlich wieder laufen zu können. Eigentlich hatte ich vorgehabt, hier an Wochenenden zu laufen, aber schon Anfang November ist es unheimlich kalt geworden und bis heute, ist die Durchschnittstempteratur für den Winter, der hier ungefähr von Oktober bis April geht, -10 Grad Celsius, also relativ kalt. Die meiste Zeit im Dezember, Januar und teilweise Februar waren wir bei -15 bis -20 Grad, es wird mitlerweile aber auch endlich wärmer (0 Grad C).

Jetzt bin ich hier schon seit fast 8 Monaten und ich kann nur sagen, dass die Zeit wie im Fluge vergeht. Mir kommt es so vor, als wenn ich erst gestern meine Reise angetreten hätte und noch eine unheimlich lange Zeit vor mir hätte, bis ich wieder nach Hause komme. Mitlerweile sind schon mehr als 2/3 meines Aufenthaltes vorbei, was mir durchaus genug Zeit gegeben hat, um festzustellen, dass alle Erwartungen und Vorstellungen nicht wirklich wahr sind oder nicht direkt verwirklicht wurden. Es war schwieriger als ich gedacht hatte, sich hier zu integrieren. Es hat nur 2 Wochen gedauert und ich habe mich bei meiner Gastfamilie zuhause gefühlt. Es braucht nur lange, um hier Freundschaften zu schliessen. Ich gehe zur High School in einer anderen Stadt (Winthrop). Wir wohnen in einem Schulbezirk, der 3 Städte umfängt, Gibbon (hier ist die Grundschule/Elementarty School) , Fairfax (Middle School) und Winthrop(High School) , von daher heißt unsere Schule GFW. Mit insgesamt ein bisschen weniger als 1000 Schüler, aus dem Kindergarten bis zur 12. Klasse, ist es wirklich sehr klein. Meine High School hat 300 Schüler auf 4 Jahrgänge verteilt und jeder kennt jeden seit dem Kindergarten. Von daher war es schwierig, bei den bereits bestehenden Gruppen Anschluss zu finden, aber dann habe ich es ja doch endlich geschafft. Viele Vorurteile, die Deutsche über Amerikaner haben, haben sich bestätigt, viele allerdings auch nicht. Wenn ich mal vergleiche wie meine Vorstellungen waren bevor ich geflogen bin und wie ich es jetzt erfahren habe, kann ich sagen, dass vieles meinen Vorstellungen entsprach, bis auf die Tatsache, dass es wirklich nicht einfach ist ein Austauschschüler zu sein und irgendwie ganz auf sich alleine gestellt zu sein. Es scheint so, als wenn viele Leute in Deutschland glauben, dass das hier ein "Partyjahr" ist, in dem man nur Spaß hat und alles ist super, aber das ist ja dann doch nicht der Fall, was auch gut ist, sonst würde ich auch nicht wirklich an meiner Persönlichkeit ändern können. Die erste Hürde ist die Sprache, doch dann nach einer Weile, lernt man wirklich, was für eine Person wirklich hinter einem steckt, was man wirklich gut kann und wo vielleicht auch Dinge in der Persönlichkeit liegen, die anscheinend nicht nur Leute in Deutschland stört, sodass man wirklich mit jedem Tag mehr an seine Persönlichkeit arbeitet und versucht sich anzupassen, während man trotzdem versucht, sich selbst treu zu bleiben.

Insgesamt kann ich nur sagen, dass ich das Jahr hier wirklich geniesse und dass es mir in vielen Dingen hoffentlich weiter helfen wird oder mir schon jetzt weitergeholfen hat. Es ist eine einmalige Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt und ich bin froh, dass ich diese wahrgenommen habe. Obwohl es unheimlich schwer für mich wird, mich von meiner Gastfamilie und meinem Freunden am Ende verabschieden zu müssen, freue ich mich doch schon unheimlich darauf, am 23. Juni wieder in Richtung Deutschland fliegen zu können. Ich werde dann also am 24. Juni (der Flug ist über Nacht) nach fast 11 Monaten im Ausland dann wieder deutschen Boden betreten und alle wiedersehen zu können.

Ich plane schon jetzt, direkt wieder zum Musikverein zurückzukehren, ich vermisse den Musikverein hier wirklich sehr und freue mich schon unheimlich darauf, wieder mit unheimlich netten Leuten musizieren zu können, die die Musik lieben :) Ich sehe gerade, dass der 24. Juni sogar ein Mittwoch ist, dann kann ich mich gleich auf die erste Orchesterprobe an meinem ersten Tag in Deutschland freuen. Hoffentlich kann ich kurze Zeit danach im Jugendorchester mit Oboe anfangen, ich muss nur noch meine Eltern ein wenig davon überzeugen, dass ich UMBEDINGT eine eigene Oboe brauche um den Musikverein um ein weiteres Instrument zu bereichern.

 

 

Soo ich glaube das wars jetzt erstmal von mir, das ist eigentlich mehr geworden, als ich schreiben wollte.

Liebe Grüße von Nadine

Nadine Otten grüßt herzlich aus den Staaten